GKf: Herr Heyduck, Sie haben 2018 als einziger Preisträger den Richard-Bampi-Preis erhalten, dotiert mit 4.000 Euro sowie einem Ankauf Ihres ausgezeichneten Werkes „Anepia Excerpt“ für die Neue Sammlung München. Wie hat Sie diese Prämierung als junger Künstler vorangebracht?
Paul Simon Heyduck: Zum ersten Mal eine so große Arbeit zu verkaufen, besonders da sie auch gleich an eine so renommierte Sammlung ging, das ist vor allem ziemlich überwältigend.
Ich weiß nicht, ob es Künstlern generell so geht, aber ich zumindest stelle mein Schaffen immer wieder heftig in Frage und zweifele in diesen Momenten mitunter sehr stark an der Akzeptanz, dem Sinn und an der allgemeinen Qualität meiner Arbeiten. Eine solche Prämierung ist für diese Selbstzweifel-Maschinerie mehr als nur ein wenig Sand im Getriebe.
Meine Arbeit 2020 in der „Mixed Zone“ Ausstellung im Neuen Museum Nürnberg zu sehen, hat dieses Gefühl ganz gut wieder aufgefrischt. Ich untertreibe an dieser Stelle stark. Es war echt super!
Finanziell hat mir der Preis und der Verkauf außerdem den Rücken freigehalten. Durch das Geld konnte ich mich wunderbar auf mein Masterstudium konzentrieren. Ich durfte ein für mich extrem wichtiges Projektsemester in Island absolvieren und ein paar sinnvolle Anschaffungen für mein Atelier waren auch noch drin.
Der Entschluss als selbstständiger Künstler mit Keramik zu arbeiten, wird meiner Erfahrung nach spätestens nach dem Studium, wegen den vergleichsweise hohen Investitionskosten einer eigenen Werkstatt, für viele Absolventen zum Problem. Wenn gegen Ende des Studiums diese Tatsache ins Bewusstsein tritt, ist es unfassbar motivierend, durch so einen Preis einige der Anfangskosten decken zu können. Für mich war es jedenfalls ein sehr entscheidender, startschusshafter Moment, in dem mir so etwas in dem Sinne „Alles klar, wenn das so ist… dann gehts jetzt offenbar wirklich los“ durch den Kopf ging.
GKf: Welchen Stellenwert haben diese Preise für Sie als selbstständiger Künstler? Wie wichtig sind sie Ihrer Erfahrung nach für einen künstlerischen Werdegang?
PSH: Ich habe nicht so viele Preise gewonnen um von „diesen Preisen“ reden zu können. Ein gewonnener Preis ist an sich natürlich ein Reichweite-Multiplikator und generell machen sich Preise meiner Erfahrung nach ja ganz gut in der Vita…
Als selbstständiger Künstler, vor allem wenn die schützende Blase des Studiums verlassen wurde, ist es sehr hilfreich, durch Preisverleihungen nicht nur an Geld, sondern auch an Ausstellungen zu kommen und sozusagen aus objektiver Quelle eine gewisse Integrität der eigenen Arbeit öffentlichkeitswirksam bestätigt zu bekommen.
Wie verheerend es ist, nicht zu gewinnen, kommt auch darauf an, wie viel investiert wurde. Es macht schon einen Unterschied, ob ich auf einen Preis hingearbeitet und für eine bestimmte Jury und einen bestimmten Anlass spezielle Arbeiten „designt“ habe, auf denen ich nun sitzen bleibe oder ob ich mich mit dem bewerbe, was ich sowieso mache. Mir persönlich erscheint das Zweitere sinnvoller. Ich habe aber auch gehört, es gibt Menschen, die den ersten Ansatz konsequent verfolgen.
GKf: Als Preisträger des letzten Richard-Bampi-Preises nehmen Sie diesmal als Jurymitglied die Perspektive des Bewertenden ein. Abgesehen von einem Preisgeld wird diesmal auch eine Zusammenarbeit mit der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen ausgeschrieben. Welche Erwartungen stellen Sie an die jungen Nachwuchskeramiker:innen, die sich für den Preis bewerben möchten?
PSH: Die Zusammenarbeit mit Meissen ist eine sehr interessante Sache! Ich stelle mir das extrem bereichernd vor, insbesondere wenn ein:e Preisträger:in genug von Keramik bzw. Porzellan versteht, um das Angebot und die Möglichkeiten dort auch wirklich ausschöpfen zu können. Vor allem sollte Lust auf Porzellan bei den Bewerbern vorhanden sein. Diese kann nicht einfach „abgeprüft“ werden und ich erwarte auch gar nicht, sie explizit in den Arbeiten zu sehen, ich setze sie sozusagen voraus – also bitte keine Meissen Repliken auf denen „i love porzellan“ steht… wobei…
Nein, ich erhoffe mir „ganz einfach“ überzeugende Kunstwerke.
Für jemanden, die/der überwiegend mit Steinzeug Kunst schafft, kann es im Endeffekt genauso spannend sein mit Meissen zu arbeiten, wie für eingefleischte Porzellan-Enthusiasten oder 3D-Druck-Künstler – es ist nur wichtig, sich mit vollem Bewusstsein auch darauf einlassen zu wollen, sonst wäre es schade um die verschenkte Möglichkeit.
GKf: Sie haben an der Hochschule für Gestaltung Offenbach a. M. und an der Hochschule Koblenz/Institut für künstlerische Keramik und Glas (IKKG) studiert. Inwiefern hat Sie diese Ausbildung künstlerisch geprägt?
PSH: Ich bin 2009 mit einer Malereimappe und der Idee, meine Bildwelten in Bewegung zu bringen, nach Offenbach gekommen. Dort habe ich mich dann für „Experimentelle Raumkonzepte“ entschieden und entgegen meiner ursprünglichen Idee, trotzdem irgendwie Maler zu werden, alles andere als Malerei studiert. Über Zeichentrickfilm, Animation und 3D-Grafik bin ich zu „elektronischen Medien“ gekommen und habe schließlich Programmieren gelernt. Die Verbindung von Sound und Bild hat mich in diese Richtung geführt und interessiert mich nach wie vor, allerdings waren mir einfache Videos damals schnell viel zu statisch. Programmieren hat in dem Moment bei mir richtig wie eine Bombe eingeschlagen. Generative Systeme zur Bilderzeugung aus Logik zu erschaffen und anschließend damit in Ausstellungen, Clubs und auf underground-Partys live zu performen hat mich umfassend absorbiert.
Gemalt habe ich nicht mehr viel, jedoch ist einiges an Digitalkunst zu der Zeit entstanden, aber der Hunger nach Haptik hat mich 2014 nach Höhr-Grenzhausen, ins Westerwald Outback getrieben. Keramik als Medium zu erforschen, war zwingend notwendig und selten im Leben war ich mir bei einer Entscheidung so sicher wie in diesem Moment. Offenbach hatte zu der Zeit keine Keramikwerkstatt (der Keramik-Hype kam erst ein wenig später…) und meinen Rechner konnte ich ja schließlich mitnehmen. Neben dem Interesse an generativer Kunst habe ich offenbar, ohne es zu wissen, nach einem passenden Medium zum räumlichen Arbeiten gesucht und am IKKG waren die nötige Freiheit, sowie das Wissen und die Technik dafür vorhanden. Nach dem virtuellen Modellieren von 3D-Objekten am Computer, schien mir das Modellieren mit Ton der nächste logische Schritt zu sein. Die Parallelen, die ich zwischen dem Programmieren meiner generativen Kunst und dem Arbeiten an und mit Glasuren erkannte, faszinierten mich sofort.
Die Verbindlichkeit, direkt mit der bloßen Hand geformter Materie, im Vergleich zur ewig eventuellen Datei, in der Arbeitsschritte rückgängig gemacht werden und beliebige Sicherheitskopien und Versionen nebeneinander existieren können, wirkt möglicherweise auch grade zur heutigen Zeit wirklich sehr krass.
Was hat mich also geprägt? Letztendlich, abgesehen von all dem jeweiligen technischen Wissen, vermutlich die zwangsläufige Auseinandersetzung mit den Unterschieden sowie den Zusammenhängen zwischen Information und Materie. Gerade im Angesicht von VR, KI, Blockchain basierender Crypto-Art und NFTs bin ich über dieses umfassende Rüstzeug sehr dankbar und glücklich.
GKf: Was zeichnet mittlerweile Ihr künstlerisches Schaffen aus? Mit welchen Projekten sind Sie aktuell beschäftigt?
PSH: Ich arbeite nach wie vor auch digital – es fühlt sich ganz normal an, nach ein paar gekritzelten Zeichnungen im Skizzenbuch 3D-Modelle am Rechner zu erstellen, diese dann im 3D-Druck wiederum zu materialisieren und den Ausdruck schließlich als Maßstabsmodell zum händischen Hochskalieren für die eigentliche Keramikskulptur zu verwenden. Der Rechner ist für mich ein Werkzeug.
Künstlerisch/Thematisch geht es bei mir im Moment um Kommunikation, um die menschliche Psyche und um Machtstrukturen. Für meinen Prozess ist es mir wichtig, die richtigen Herangehensweisen und Materialien für die jeweiligen Teilaspekte der Themen zu finden. Im besten Fall gelingt mir beim Arbeiten eine Kongruenz zwischen Arbeitsweise, Material und Idee.
Ich weiß gerne, warum ich mache, was ich mache und warum mit welchem Medium gearbeitet wird. Einem Material mit viel Aufwand etwas aufzuzwingen, muss schon eine gute Begründung haben. Nur für den Fleiß allein zu arbeiten, sehe ich als Zeitverschwendung. Etwas zu modellieren, das am Ende z. B. wie Holz aussieht, anstatt an dieser Stelle Holz zu verwenden, ist ja auch eine Aussage und braucht meiner Meinung nach schon ein paar sehr gute Argumente.
Die Corona-Zeit nach meinem Masterabschluss Anfang 2020 habe ich überwiegend dafür genutzt, mein Studium zu reflektieren und Projekte zu planen, während ich meine Atelier-Werkstatt mehr und mehr in einen zufriedenstellenden Zustand bringe.
Neben digitalen Arbeiten, Musikvideos und ein paar kleineren Designprojekten gibt es vor allem zwei Objekt-Kosmen, die inzwischen von mir sozusagen kartographiert wurden und nun nach Umsetzung verlangen. Außerdem habe ich in Island mit Recycling-Materialien und Gesteinen, die ich in einem selbst gebauten Feststoff-Schredder pulverisiert habe, Glasuren entwickelt und damit eine Serie kleiner Arbeiten angefangen, die immer noch weiterläuft.
Das Interview führte Dr. Marlen Topp,
Beauftragte der Gesellschaft der Keramikfreunde für den Richard-Bampi-Preis.